Zeit nachzukaufen?!
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Re(2): Zeit nachzukaufen?!
22.06.2022, 15:04:21
Das impliziert natürlich auch dass dadurch viel Geld an der Seitenlinie
wartet.


Um ehrlich zu sein, frage ich mich schon länger, was dieses Bild mit der Seitenlinie eigentlich genau aussagen soll, das regelmäßig in Abwärtsbewegungen wieder ausgepackt wird.

Wann immer jemand an der Börse etwas kauft (oder verkauft), wechseln nicht nur die Assets, sondern auch das Geld den Besitzer. Die Menge des Geldes "an der Seitenlinie" kann sich dadurch allenfalls relativ zur aktuellen Bewertung, nicht aber absolut ändern. Zuflüsse und Abflüsse können sich nur im Austausch mit anderen Märkten abspielen.

Dann würde ein Zuwachs also bedeuten, dass es in der jüngeren Vergangenheit einen Abfluss von Kapital aus den Kapitalmärkten gegeben hat, der jetzt wieder zurückkommt. Meiner Meinung nach war das Gegenteil der Fall. Die Zentralbanken haben seit langem Anleihen gekauft, als gäbe es kein Morgen, und beginnen erst jetzt langsam, die Bestände zurückzufahren. Das dürfte eher den gegenteiligen Effekt haben.

Und selbst wenn man nur auf die Kleinanleger abzielen sollte (die in der Größenordnung weit unbedeutender sind) würde das zumindest bedeuten, dass sie in der Corona-Zeit aus ihrem Arbeitsmarkteinkommen mehr zurückbehalten haben (kann stimmen, muss aber nicht: die Ausgaben dürften runtergegangen sein, die Einnahmen bei vielen aber auch) und dieses Geld noch nicht an den Aktienmarkt getragen haben. Selbst wenn man die wackelige Prämisse annimmt, warum sollten sie es ausgerechnet jetzt plötzlich tun?

Aber es reicht ein Gasstop, eine weitere nicht zu kontrollierende Inflation in
Folge dessen die Märkte noch viel tiefer fallen können/werden.


Das ist nicht auszuschließen. Dann wird auch die Volatilität wieder sprunghaft ansteigen, momentan beruhigt sie sich ja schon wieder. So niedrig wie 2017 bis 2019 ist sie natürlich nicht, aber das war auch eher eine Ausnahmesituation. Wer erst in diesem Zeitraum eingestiegen ist, oder Ende 2020/Anfang 2021, als wir nochmal eine relative Ruhephase hatten, dem mag die aktuelle Börse natürlich schon etwas instabil vorkommen, aber eigentlich ist sie das nicht.

Ich für meinen Teil habe die Investitionsintervalle bereits verkürzt und schon
überdurchschnittlich in den letzten Wochen investiert.


Hier auch. Meine Sparpläne hatte ich in den ruhigen Jahren vor dem Corona-Kursrutsch sukzessive zurückgefahren, so dass ich danach wieder damit beginnen konnte, sie auszuweiten. Und in den letzten Monaten nochmals etwas weiter draufgelegt. Das ist jetzt wahrscheinlich schon ein bisschen mehr, als ich mir dauerhaft leisten kann, aber noch ist etwas Cashreserve da. Also werde ich das jetzt auch wohl auch zumindest bis Jahresende so beibehalten. Sollten die Kurse schon vorher wieder steigen oder ich eher in den Wertpapierkredit rutschen als ich mir das heute ausrechne, müsste ich das halt nochmal überdenken.

Vor höheren Einmalinvestments würde ich mich allerdings zurückhalten. Abgesehen davon, dass der Boden wahrscheinlich noch nicht erreicht ist - den genau zu treffen ist Markettiming und das funktioniert in der Regel nicht. Die Anpassung meiner Sparpläne ist mir Regelungsmöglichkeit genug. (und das ganz langsam - runtergefahren hatte ich in den gut zwei Jahren vor Corona ganze 25 Euro pro Monat, und wieder hochfahren bedeutete dann auch nur, 50 Euro pro Monat draufzulegen).

22.06.2022, 15:05 Uhr - Editiert von someonelikeme, alte Version: hier
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Re(8): Zeit nachzukaufen?!
22.06.2022, 17:46:48
  Wodurch unterscheidet sich eine Hochzinsphase von einer Phase mit hoher
Inflation???


Sie können, müssen aber nicht zusammen auftreten. Im aktuellen Umfeld halte ich es sogar für mehr als fraglich, dass Zinserhöhungen das richtige Signal wären.

Zinserhöhungen macht man aus zwei Gründen. Auf der einen Seite, um den Wechselkurs der eigenen Währung zu stützen, um Importe nicht zu sehr zu verteuern (ok, der Euro ist derzeit etwas schwach, aber nicht _so_ schwach). Auf der anderen Seite, um den Preisanstieg von der Nachfrageseite aus zu bremsen. Da kommt die Inflation diesmal aber auch gar nicht in erster Linie her. Es sind in erster Linie externe Faktoren, die sich auf die Angebotsseite auswirken. Und ein Stück weit sicher auch die extreme Ausweitung der Geldmenge seit der letzten Krise. Wenn soviel mehr Geld in Umlauf kommt, finde ich es nicht wirklich verwunderlich, dass es irgendwann weniger wert ist. Wenn, dann schon eher, dass das so lange gedauert hat.

Wenn jetzt aber auch noch die Zinsen deutlich raufgehen, steigen damit auch die Renditeerwartungen der Investoren/Kapitalgeber. Und damit verselbständigt sich das ganze. Zu den ohnehin vorhandenen Faktoren kommt dann nämlich noch etwas dazu: Erst wird alles teurer, was man anmietet, dann das, was mit gemieteten Anlagen produziert wird, dann gibts eine Lohnrunde, die sich natürlich auch an der Inflationsrate orientiert, die kann man dann nur durch noch höhere Preise abfedern - und Kapitalbeschaffung und damit Investitionen werden auch nicht leichter.

Das hatten wir in den 70ern und 80ern schon mal. Ich hab davon damals noch nicht so viel mitbekommen (ausser dass ich es toll fand, dass mein Sparbuch damals zeitweise zweistellige Zinsen abgeworfen hat). Aber so singulär würde ich das heute nicht mehr betrachten.

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Re(12): Zeit nachzukaufen?!
22.06.2022, 20:03:35
Die Fed versucht es ganz offensichtlich...


Die haben auch Hochkonjunktur und die Arbeitslosenquote ist nahezu auf Rekordtief. Da kann die Fed sich das nicht nur erlauben, in der Situation ist es sogar lehrbuchmäßig geboten.

Hohe Nachfrage, und eine Verringerung des Angebots - Voila, zweistellige
Inflationsraten!


Die Preissteigerung komm derzeit noch primär aus dem Energiebereich, sekundär beginnt sich das auf Lebensmittel auszuwirken. Das sind beides keine Bereiche, in denen die Nachfrage sich mal eben so sehr stark erhöht, da gibts einfach einen gewissen Grundbedarf, den ein Durchschnittsverbraucher auch nicht mal so eben radikal reduzieren kann.

Das würde nur so eintreten, wenn alle Waren und Dienstleistungen auch prompt
verfügbar wären. Sind sie aber grundsätzlich, und aktuell erst recht nicht.


Um einen Preis für eine Ware oder Dienstleistung auszuhandeln, muss die nicht prompt verfügbar sein. Es reicht vollkommen, wenn überhaupt jemand glaubwürdig versichert, sie liefern zu können.

Aber 1980/1981 wurde das wohl in den USA so praktiziert: US Federal Funds Rate
zwischenzeitlich über 22%


Der Volcker-Schock. Am Ende hats ja irgendwie funktioniert, die Inflation ging runter, aber zu welchen volkswirtschaftlichen Kosten.

Im Prinzip bin ich bei Euch, die Negativzinsphase hätten wir früher beenden müssen. Aber deutliche Zinsschritte wären jetzt (zumindest in Europa) ein ganz falsches Signal. So alle ein bis zwei Quartale ein Viertelprozentchen vielleicht. Mehr können wir uns kaum erlauben.

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Re(14): Zeit nachzukaufen?!
22.06.2022, 20:51:40
Derzeit steigen alle Preise...


Ja sicher. Energie steckt letztlich überall mit drin, und wenns nur Transport ist. Wart mal ab, bis auch noch die Personalkosten richtig hochgehen. Die ersten Gewerkschaften denken schon wieder an klar zweistellige Lohnrunden.

Natürlich versucht schon jetzt jeder für sich rauszuholen, was geht. Seine Einstandskosten gehen ja auch nicht runter. Das ist die Inflationserwartung, die sich gerade zu verfestigen beginnt. Und die treibt am Ende die Inflation vor sich her. Selbsterfüllende Prophezeiung.

Geld fließt in der Regel aber erst nach oder unmittelbar vor der Lieferung.
Deswegen funktioniert in meinen Augen dein Argument nicht.


Wann genau diese zukünftigen Geldflüsse in die Berechnung der Inflationsrate eingehen, ist auch nur indirekt relevant. Fakt ist, dass der Handwerker mit den vollen Auftragsbüchern bis übernächstes Jahr den kurzfristigen Notfalldienst deshalb schon gar nicht billiger anbieten wird. Und auch das sofort lieferbare Auslaufmodell beim Autohändler eher nicht billiger wird, wenn schon Leute Schlange stehen um sich ihr Wunschmodell zu bestellen. Das wird schon irgendjemand nehmen, der nicht warten will. Diese "Futures" gehen also auch in die Preisgestaltung von dem ein, was verfügbar ist.

Es hätte wahrscheinlich sogar gereicht, wenn die Zentralbanken ihre
Anleihenkäufe nach einem Quartal beendet hätten...


Vielleicht. Vielleicht wären wir dann aber auch schon jetzt in einer Stagflation (die uns ja immer noch blühen könnte).

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Re(5): Zeit nachzukaufen?!
22.06.2022, 17:10:43
Inflation an sich ist für die Kapitalmärkte höchstens ein kurzfristiges
Problem, wenn überhaupt.


Da wäre ich vorsichtig. Ich meine vor allem die Aktionen der Zentralbanken!
Da jetzt weniger/keine Anleihen mehr von den Zentralbanken gekauft werden, wird diese wieder für institutionelle Investoren interessant. Daher werden diese ihr Kapital anders verteilen. Das hat definitiv auch Auswirkungen auf Aktienkurse.
Zudem, wenn Leitzinssätze steigen, werden auch Kredite teurer. Wir haben also strengere Vergaberegeln - auch nochmals verschärft durch Corona - und höhere Zinsen. Diese Knappheit schränkt auch Wachstum ein. Und Wachstum ist ein treibender Faktor für Aktienkurse.


Ukrainekrieg dürfte im Grunde eingepreist sein.


Wie willst du das bereits komplett eingepreist haben? Wir wissen ja noch nicht einmal wo die Reise hingeht...


Die Energieversorgung weitestgehend auch


Selbst nach den Rückgängen der letzten Tage liegen die Ölpreise über 20% über dem Stand vor Kriegsbeginn, am aktuellen Höchststand waren es knapp 50%. Je länger der Krieg dauert, desto schwerwiegender werden auch hier die Auswirkungen. Mich würde es nicht wundern, wenn wir noch heuer einen Ölpreis von 175-200$ sehen werden.


bei den Lebensmitteln bin ich nicht sicher, ob man sich da schon aller
Implikationen bewusst ist.


Eben! Ein ganz großer Unsicherheitsfaktor. Vor allem für ärmere Länder, die noch stärker von Importen aus der Ukraine abhängig waren/sind.


Mit Lieferkettenproblematik und Personalknappheit werden einige Unternehmen
gut umgehen können, andere nicht so. Bei Einzelwerten kann es da schon noch zu
deutlichen Wertberichtigungen kommen, auf den Gesamtmarkt bezogen sehe ich das
aber eher entspannt.


Vergiss einzelne Unternehmen, es geht um Volkswirtschaften!


Aber wenn dort die Angst umzugehen beginnt, kann die Erholung länger dauern.


Ich bin schon sehr auf die Q2-Berichte der großen Konzerne gespannt. Ich glaube, dass es da oder dort noch ordentlich rumpeln könnte...

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