Theo, wir fahren nach Lodz :)
Geizhals » Forum » Tipps & Tricks » Theo, wir fahren nach Lodz :) (85 Beiträge, 1036 Mal gelesen) Top-100 | Fresh-100
Du bist nicht angemeldet. [ Login/Registrieren ]
.
Re: Theo, wir fahren nach Lodz :)
05.02.2024, 15:40:24
also mal GANZ WICHTIG: sag NIEMALS "Lotsch". Das Kaff heißt "Wudsch". Das "L" am Anfang ist ein"W" wie in "wilhelm" (sehr englisch ausgesprochen, mit Unterlippe nach vorne), das o wird ein u und das "dz" ist ein schönes weiches "dsch". Sonst outest dich gleich als Piefke und das willst in Polen nicht. (noch schlimmer wär nur russisch zu sprechen!).

Also nach den Basics:
Wudsch und Warschau kenn ich nicht, Krakau schon: tolle Stadt, herrlicher MArktplatz mit Markthalle, der Wawel ist natürlich ein Pflichttermin. Rund um den kann man auch wunderbar spazieren gehen - wobei es im Feb natürlich etwas frisch sein kann.

Jetzt zum Thema Ausschwitz.
Es ist lang her, daß ich dort war. Also keine Ahnung, wie toll das heute ausschaut, die haben da ja jetzt ein Museum draus gemacht, scheinbar mit allem Pipapo.

Als ich dort war, gab es gerade noch den eisernen Vorhang, es war Februar, hatte -2° bei gefrierendem Nebel und leichtem Wind. wir kauften Eintrittskarten und gingen einfach durch DAS Tor hinein. Da gabs keinen Führer (Museumsführer natürlich), keinen Audioguide, keine gedruckten Infos und nur wenige Erklärungen auf Englisch.
Aber allzuviel Erklärungen braucht es eigentlich nicht. Die schiere Größe und nur ein ganz klein wenig Phantasie/Vorstellungskraft lassen einem das Blut in den Adern gefrieren. Und das lag nicht an den AUßentemperaturen. Mich hats noch nie in meinem Lebn so gebeutelt und das waren sicher mit die bewegendsten und beeindruckendsten Stunden meines Lebens.

Also tu ned zu viel lesen, geh einfach hin und "genieße" die Atmosphäre dort. Laß dich einfangen. Aber Warnung: das wird intensiv!! Mauthausen ist dagegen ein Lärcherlschaß!

mfg
AVS



aus gegebenem Anlaß: keine Toleranz für Vladolph Putler!


Dieser Beitrag bezieht sich auf eine ältere Version des beantworteten Postings!
Antworten PM Übersicht Chronologisch Zum Vorgänger
 
Melden nicht möglich
.........
Re(9): Theo, wir fahren nach Lodz :)
22.02.2024, 16:03:40
  Ich habe mit meinen lieben Großeltern zu deren Lebzeiten über das damalige
gesprochen und nie habe ich sowas wie eingestandene Schuld gehört. Man hat von
nix gewusst.

Das kann ich so nicht bestätigen.

Wobei meine Familie da sehr gespalten ist:
mein Großvater mütterlicher seits wurde '39 eingezogen, war bis '45 Soldat (v.a. an der Ostfront), kam mit viel Glück NICHT in russische Gefangenschaft und daher recht bald nach dem Krieg heim. (glaub '46 oder '47).
Die Großeltern waren beide nie Nazis, nicht '38 am Heldenplatz, verabscheuten Hitler und Krieg, der ihnen die besten Jahre ihres Lebens gestohlen hatte.
Mit meinem Opa über die Kriegszeit zu reden war schwierig, weil "das ist lang her, das ist nicht schön, daran will ich nicht erinnert werden". Manchmal redete er doch. Über die Front, wo er als Wehrmachtssoldat als Pionier diente. Über die Mienen, die er gelegt hat. Über die Schreie, wenn am nächsten Tag die Russen durch das Minenfeld liefen. Über die Schreie, die ihn dann in der Nacht verfolgten. Über die Extrarationen Alk, die die Soldaten deswegen bekamen. Über noch viel größere Alkoholmengen, die besondere Soldaten bekamen, die sich freiwillig zu "Sondereinsätzen" meldeten. Darüber, daß keiner was sagte, aber jeder wußte, was diese Einsätze bedeuteten. Aber auch, daß keinem klar war, welches Ausmaß diese Sondereinsätze hatten....
Wie allen mit fortdauerndem Krieg klar war, daß man den nicht gewinnen konnte. Aber nichts sagen durfte, sonst wurde man sofort erschossen. Wie oft man ihn, vor allem gegen Kriegsende hin, zur Waffen-SS anwerben wollte, er aber nicht ging. Wie er 2x von der russischen Front überrollt wurde und es wieder zurück in die eigenen Linien schaffte, zuerst zu Franzosen (die waren A-Löcher), dann den Briten (die waren streng, aber britisch korrekt), zuletzt bei den Amis (das war wie Urlaub für ihn).

Die Geschichten meiner Oma waren dagegen "fad". Zu Hause tat sich ja nicht viel. Aber die Gewaltakte gegen Juden, die waren offensichtlich. Und daß die nicht "auf Ferien" verschickt wurden, das war (lt. meiner Oma) auch jedem klar. Daß die "nichts Gutes" erwartet, das war logisch, daß dahinter allerdings industrielle Massentötung in KZ stand, DAS wußte sie während des Krieges nicht. Ich glaube ihr das. Das letzte Detail kam ja nicht bis nach Hause.
Der Rest war: Hunger, Bomben, Nächte im Keller mit von der Decke rieselndem Putz, Angst, dann die Russen, Plünderungen, Vergewaltigungen, wahllose Erschießungen, noch mehr Angst, noch mehr Hunger, verwurmte Erbsen, CARE-Pakete als Lichtstrahl der Hoffnung, ... das Übliche halt. Nix Besonderes mehr.

Meine väterliche Familie hingegen, ganz anders. Total zerrissen:
Mein Großvater, Geschäftsmann, viele seiner Geschäftspartner waren Juden.
Sein Bruder: Nazi durch und durch, illegaler Nazi, Blutordensträger, hat Anschläge verübt und alles, nach '38 dann natürlich hohes Tier.
Ergebnis: mein Opa war suspekt, eine Schande für die Familie, ein Judenfreund. Er MUSSTE Mitglied der NSDAP werden, sonst hättens ihm sein Geschäft "arisiert". Trotzdem (oder deswegen) hat er unzählige jüdische Kinder als seine anerkannt (glaub, mein Opa hatte am Papier so 30 uneheliche Kinder, weil die dann "Halbjuden" waren und daher ausreisen durften).So hat er vielen seiner Geschäftsfreunde (bei der Flucht) geholfen.
Mit Hilfe des Bruders galt er als "kriegswichtig" und mußte daher nicht zum Wehrdienst. Bis er im Sommer 42 (also noch vor den ersten Niederlagen, vor Stalingrad) zu laut gegen Hitler geschimpft hat. 2 Wochen später war er an der Ostfront und dann in Partisanengebieten. Er hat wie durch ein Wunder überlebt, sonst wär ich heute nicht da.
Der hat noch weniger geredet nach dem Krieg als der andere Opa. Über Partisanen gar nix, außer: das war nicht schön, das war nicht recht, zum Glück ist es vorbei. Weniger Worte sagen manchmal mehr, glaub ich.

Der Nazi-Ar.sch von Bruder ist nach dem Krieg nach DE geflüchtet, wurde NIE zur Rechenschaft gezogen. Seine Tochter ist bis heute genau so eine glühende Nazi-Anhängerin wie er. Mit der bis ich so zusammengekracht, daß sie seither Hausverbot bei uns hat.  

Wenn mir daher heute einer erzählen will, davon haben ALLE nix gewußt, dann ist das einfach gelogen. Und dann einer behauptet, das hätte es alle nie gegeben, Gaskammern sind nur eine Erfindung, dann geht mir echt das G'impfte auf. Der bekommt bei mir eine Woche Gratisurlaub im "Ferienlager" vor Ort. Mal schaun, ob er nachher immer noch so denkt.

mfg
AVS



aus gegebenem Anlaß: keine Toleranz für Vladolph Putler!


Antworten PM Übersicht Chronologisch Zum Vorgänger
 
Melden nicht möglich
..........
Re(10): Theo, wir fahren nach Lodz :)
22.02.2024, 19:32:57
Da weißt du ja tatsächlich noch viel von den Erzählungen, da ist bei mir leider nicht mehr so viel vorhanden. Was mich bis heute ärgert, ist, dass mein Großvater (der mittlerweile seit 18 Jahren verstorben ist und ein sehr lieber Opa war) doch auch Sachen erzählt hat, dass es schon Eindruck gemacht hat, wenn Herr H. eine Rede gehalten hat. Damals war ja hohe Arbeitslosigkeit (mein Opa selbst war Elektriker), mein  Opa meinte auch - "Plötzlich steckt dich jemand in eine Uniform und auf einmal bist du wer."
Meine Oma (seine Frau, obwohl sie sich später scheiden ließen) hat mir mal ins Ohr geflüstert, dass es ja stimmt, dass die Deutschen bzw. Österreicher fleißiger sind, als die anderen, gerade als würde sie die Rassenideologie unterstützen. (Auch sie war sonst zu mir und meiner Schwester eine liebe Oma.)
Ich habe aber meinem Opa schon entlocken können, dass Herr H. ein wahnsinniger Massenmörder war, das hat er nicht abgestritten.
Ein Bruder meiner anderen Oma (also väterlicherseits) wurde fast noch als Kind (er war wohl 16 Jahre alt, ich glaube nicht, dass er schon 18 war) an die Ostfront geschickt und starb beim 1. russischen Angriff durch einen Kopfschuss. Der soll ein ganz netter, lieber Bub gewesen sein, der keiner Fliege was zuleide tun konnte. Meine Oma hat mir die Geschichte erzählt, dass als er eingezogen wurde und sich verabschiedet hat und wegging dauernd wieder stehen blieb und sich umgedreht hat, weil er nicht weg wollte.

Antworten PM Übersicht Chronologisch Zum Vorgänger
 
Melden nicht möglich
...........
Re(11): Theo, wir fahren nach Lodz :)
23.02.2024, 13:54:14
JEDE Familie hat da so ihre eigene Geschichte. Die ich nicht bewerten will.

Mir stoßen nur paar Dinge gewaltig auf:

1. Pauschalverurteilungen oder -freisprüche: weder waren ALLE überzeugte Nazis (die waren ja alle bei der Partei - ja, aber nicht unbedingt aus Überzeugung), noch waren ALLE Opfer (wir haben ja nix g'wußt, was hätt ma denn auch machen sollen).

2. Leute, die heute noch den Schmarrn glauben oder ihn verherrlichen, obwohl es echt genügend Beweise gibt.

3. Kollektivschuld: nein, ich bin nicht dafür verantwortlich, was meine Großeltern vor 70-100J (nicht) getan haben. Ich bin nur fürs heute verantwortlich, aber das zu 100%. Ich bin weder Opfer noch Täter, aber dafür hab ich die PFLICHT, die Zeitgeschichte differenziert zu betrachten. Nicht alles ist schwarz/weiß, nicht alles unter dem NS-Regime war das absolut böse (das allermeiste, aber nicht alles, man muß das eben AUCH im zeitgeschichtlichen Kontext betrachten und bewerten), nicht nur Juden waren Opfer (da gibts noch paar 100.000 andere, die man gerne vergißt) und nur wegen des Genozids der Nazis ist "Israel" nicht für alle Ewigkeit bei allen Aktionen als heilig anzusehen, noch dazu, weil Israel nur ein Staat ist und nicht "die Juden". (auch weils "die Juden" so gar nicht gibt)

Aber das führt doch etwas zu weit fürchte ich ...

mfg
AVS



aus gegebenem Anlaß: keine Toleranz für Vladolph Putler!


Antworten PM Übersicht Chronologisch Zum Vorgänger
 
Melden nicht möglich
.
Re: Theo, wir fahren nach Lodz :)
27.02.2024, 19:15:49
Ich wollte noch kurz was über den Polenurlaub schreiben.
2 Freewalkingtouren (Krakau und Warschau): super (obwohl man natürlich schon was zahlt dafür, also irgendwas zwischen umgerechnet 10 und 20 Euro).
Zoo Warschau:  sehr schön, obwohl ich die Löwen und ein paar andere Tierchen nicht gesehen habe, da sie an diesem verregneten Tag wohl nicht nach draußen wollten.
Ich muss auch sagen, dass einem manche Tiere schon leid tun - aus dem natürlichen Habitat in ein Mini Habitat überführt und in einer anderen Klimaregion noch dazu, aber naja, die Kinder freut's, alle Tiere zu sehen.
Museum des Warschauer Aufstands: sehr bedrückend, zu sehen, was die deutsche Wehrmacht in Polen gemacht, hat, wirklich furchtbar, die haben wahllos Polen getötet etc.
Schindler Museum Krakau: super, obwohl es fast nicht um Schindler, sondern fast nur um die Geschichte Polens im 2.WK geht (was aber sehr interessant ist).
Salzbergwerk Wieliczka: cool, hat mich aber nicht von den Socken gehauen. Dort wird heute unterirdisch geheiratet, Basketball gespielt und MMA Kämpfe werden ausgetragen. Laut Guide verdient man als Touristenattraktion das zigfache mit der Mine als mit Salzabbau.
Auschwitz: hat mich extrem beschäftigt, war furchtbar und furchtbar wichtig (wie bereits ausgiebig geschildert in diesem Thread).

Königsschloss Warschau, Lazienkipark und ein paar andre Dinge habe ich auch noch gesehen.
Vegane Restaurants in Polen waren einzigartig. Spitze.

Generell muss ich sagen, dass die Polen sehr sympathisch rüberkommen (obwohl ich natürlich nur englisch mit Ihnen sprechen konnte). Meine Airbnb Gastgeberin in Warschau war auch super nett. Die Polen haben mich irgendwie an Österreicher erinnert: nicht großmäulig, mit den Füßen am Boden stehend, nicht arrogant, eher zurückhaltend, höflich, hilfsbereit.
Hab mich dort fast wie zu Hause gefühlt.



Antworten PM Übersicht Chronologisch Zum Vorgänger
 
Melden nicht möglich
 

Dieses Forum ist eine frei zugängliche Diskussionsplattform.
Der Betreiber übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der Beiträge und behält sich das Recht vor, Beiträge mit rechtswidrigem oder anstößigem Inhalt zu löschen.
Datenschutzerklärung