"Chromium ist ja nicht so schlimm...
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"Chromium ist ja nicht so schlimm...
24.01.2019, 13:15:12
...denn Google will das Web schließlich verbessern, was gut ist. Und außerdem ist's ja Open Source." Right?

Sprüche wie diese oder ähnliche gab's Zuhauf, als Microsoft offiziell bekanntgab¹, dass man in Zukunft, anstatt die eigene Engine zu pflegen, auf Chromium (und damit Blink + V8) setzen wird, denn im Endeffekt kann's ja nur gut für den User sein, wenn es de facto nur noch eine einzige Engine gibt, die man als Web-Entwickler berücksichtigen muss, und das verbessert dann wiederum die vielgeliebte "Benutzererfahrung".

Dummerweise hat man mit Google einen Konzern hinter Chromium stehen, der es nicht nur mit Datensparsamkeit nicht ganz so hat, wie man es sich als Nutzer eigentlich vorstellt, sondern auch gleichzeitig einer der größten Werbeanbieter im Netz ist, und so ist es nicht verwunderlich, dass man im aktuellsten Entwurf der Manifest-Spezifikationen² so lustige Änderungen wie diese findet:

WebRequest: Restrict the blocking capabilities of the webRequest API.


Macht man sich dann die Mühe, nicht nur die Zusammenfassung zu lesen, wird's tatsächlich höchst interessant:

In Manifest V3, we will strive to limit the blocking version of webRequest, potentially removing blocking options from most events (making them observational only).


Was an und für sich nicht ein Problem ist, denn Google liefert (bekannterweise) auch gleich einen "brauchbaren" Nachfolger für eine deprecated API mit:

The declarativeNetRequest API³ is an alternative to the webRequest API.  At its core, this API allows extensions to tell Chrome what to do with a given request, rather than have Chrome forward the request to the extension.
...
This allows us to ensure efficiency since a) we have control over the algorithm determining the result and b) we can prevent or disable inefficient rules.  This is also better for user privacy, as the details of the network request are never exposed to the extension.


Ineffiziente Blockierregeln deaktivieren bzw. verhindern? Wer sich die Mühe macht und durch die API-Dokumentation³ stöbert, kann auch relativ einfach feststellen, dass declarativeNetRequest's primärer speedup factor durch die Limitierung auf maximal 30000 Regeln zustande kommt, und eher weniger durch das Vermeiden asynchroner Requests von der jeweiligen Erweiterung.

Neben der aktiven Sabotierung der Performance von Browsern, die nicht auf Chromium basieren⁴, sowie der Flutung des Internets mit schwachsinnigen und halbgaren Standards (dazu gab's von mir schon einmal einen Beitrag, der leider im Tratsch-Bereich für alle Ewigkeiten verschwunden ist...) haben wir jetzt also eine weitere Innovation des Konzern, dessen Mantra bis vor ein paar Jahren noch "Don't be evil" lautete.

¹: https://blogs.windows.com/windowsexperience/2018/12/06/microsoft-edge-making-the-web-better-through-more-open-source-collaboration/
²: https://docs.google.com/document/d/1nPu6Wy4LWR66EFLeYInl3NzzhHzc-qnk4w4PX-0XMw8/edit
³: https://developer.chrome.com/extensions/declarativeNetRequest
⁴: https://twitter.com/cpeterso/status/1021626510296285185

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.....
Re(5): "Chromium ist ja nicht so schlimm...
24.01.2019, 20:01:42
So blöd es klingen mag, aber nope: Als das Chromium-Projekt initiiert wurde,
ging's tatsächlich darum, den unsicheren und veralteten Crapxplorer so schnell
wie möglich loszuwerden - natürlich nicht aus altruistischen Motiven, sondern
weil man, als aufstrebender Internetkonzern, - schlicht und ergreifend Angst
hatte, dass der Dreck irgendwann einmal eine Datenpanne in epochalem Ausmaß
verursachen würde.


Das kann man ruhig glauben, wenn man will. Man hätte aber auch viel einfacher Firefox fördern oder Opera empfehlen können. Für mich ist es daher viel plausibler, dass es von Anfang an um Dominanz ging.

Die Leute von Google sind auch nicht so „langsam“, dass sie diesen Nutzen beiläufig mittendrin erkannt haben...

Außerdem war damals, 2008, die Bieterschlacht um die default-Suchmaschine in Browsern schon längst im Gange (100e Mio. Dollar pro Jahr, wobei Yahoo mit im Rennen war). War also keine schwierige Rechnung, sich zu überlegen, was man sich erspart, wenn man um das Geld einen populären Browser entwickelt mit Google als default-Suchmaschine.
…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………
Wenn ich auf Provokationen nicht reagiere, liegt das wohl daran, dass ich sie dank "Plonk" nicht sehen kann.

Faustregel: 1 Langstreckenflug emittiert (pro Passagier) so viel CO₂ wie 1 Jahr Autofahren (pro Auto)


24.01.2019, 20:05 Uhr - Editiert von Lazy Jones, alte Version: hier
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Don't be evil strikes again!
29.05.2019, 23:21:52
Ich bin der letzte, der gerne freiwillig zu 96,31%-ig tote Threads wieder zum Leben erweckt, aber "Don't be evil" geht nach einer gefühlten halben Ewigkeit in die nächste Runde und holt zum vollen Rundrumschlag der Schwarmdummheitsverbreitung aus. Wie sieht diese Runde nun genau aus? Nachdem man auf das wertvolle Feedback zahlreicher Entwickler gehört hat, kam man zum Entschluss, dass man die webRequests API doch nicht vollständig in die Obsoleszenz verdrängen, sondern stattdessen nur noch die Blockingfähigkeiten beschränken wird.

Chrome is deprecating the blocking capabilities of the webRequest API in Manifest V3, not the entire webRequest API (though blocking will still be available to enterprise deployments)


Der wirklich wichtige Teil wurde hervorgehoben, denn scheinbar kam man bei Google nun zum Entschluss, dass die Performance von Chromium doch nicht ganz so sehr darunter leiden wird, wenn man doch nur die Blockingfähigkeiten selektiv auf Nutzer mit im Browser aktivierter Enterprise-flag beschränkt.

An den grundsätzlichen technischen Einschränkungen hinter der im ManifestV3 vorgeschlagenen declarativeNetRequests API hat sich bislang nicht viel geändert. Die Anzahl der maximalen statischen Regeln wurde beibehalten, dafür hat man jetzt 5.000 dynamische Regeln hinzugefügt, die von der jeweiligen Erweiterung in der Laufzeit reingepfuscht werden können.

The first and IMO largest change is that Chrome now has support for dynamic modification of DNR rules ... DNR has two groups of rules: static rules declared in JSON files and dynamic rules set at runtime. ... We are planning to raise these values but we won't have updated numbers until we can run performance tests to find a good upper bound that will work across all supported devices.


Eine großartige Änderung, welche die Beschränktheit der API auch bis auf Weiteres nicht umgeht und webRequest auch weiterhin zur API der Wahl macht. Diese API steht dummerweise den eigenen wirtschaftlichen Interessen im Wege:

Technologies have been developed to make customizable ads more difficult or to block the display of ads altogether and some providers of online services have integrated technologies that could potentially impair the core functionality of third-party digital advertising. Most of our Google revenues are derived from fees paid to us in connection with the display of ads online. As a result, such technologies and tools could adversely affect our operating results.


Don't be evil - wenn dir jemand seinen Finger (also wertvolle Nutzerdaten) reicht, dann reiße ihm sogleich den gesamten Arm mitsamt der Hälfte des Torsos ab, indem man den Nutzer mit dem Dünnschiss des Internets des 21. Jahrhunderts bombardiert ohne ihm eine Möglichkeit zu geben, sich dagegen zur Wehr zu setzen.

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