Rollstuhlfahrer am Zebrastreifen
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ein Beispiel für einen miserablen Gesetzestext
28.02.2008, 13:13:22
Nach §9/2 StVO hat "Der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, hat einem Fußgänger oder Rollschuhfahrer, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen.".

§2/22 definiert das "Fahrrad" als "ein Fahrzeug, das mit einer Vorrichtung zur Übertragung der menschlichen Kraft auf die Antriebsräder ausgestattet ist".

Daraus ergibt sich auf einen ersten Blick, daß nur Fußgängern und Rollschuhfahrern ein überqueren der Straße zu ermöglichen ist, während alle anderen Verkehrsteilnehmer auf einen verkehrsfreien Moment warten müssen. Und dazu gehörte auch ein Mensch, der sich in einem Rollstuhl fortbewegt, denn meiner Meinung nach ist ein Rollstuhl ein "ein Fahrzeug, das mit einer Vorrichtung zur Übertragung der menschlichen Kraft auf die Antriebsräder ausgestattet ist" und damit bedient sich ein Rollstuhlfahrer eben einer mechanischen und ggfs. elektrischen Vorrichtung zur Verkehrsteilnahme und grenzt sich damit von Fußgängern eindeutig ab.

Ist aber nicht so: §24/1/o verbietet das Halten und Parken "wenn Fußgänger, insbesondere auch Personen mit Kinderwagen oder Behinderte mit Rollstuhl, an der Benützung eines Gehsteiges, eines Gehweges oder eines Geh- und Radweges gehindert sind.". Damit stellt das Gesetz in einem entfernten § den Fußgänger mit "Personen mit Kinderwagen oder Behinderte mit Rollstuhl" gleich. Bei Personen mit Kinderwagen ist wahrscheinlich der gemeint, der den Kinderwagen schiebt - so weit so eindeutig ein Fußgänger. Aber ein "Behinderter mit Rollstuhl" sitzt ja drin, damit kann aber im Gegensatz zum Kinderwagenschieber kein Fußgänger gemeint sein - sonst wäre ja auch ein Radfahrer ein Fußgänger?!

Aber auch aus der verwaltungsrechtlichen Jud. ist erkennbar, daß die Gerichtspraxis den Rollstuhlfahrer als Fußgänger bezeichnet, siehe VwSlg 13275 A/1990:

"... Fußgänger, insbesondere auch Personen mit Kinderwagen oder Behinderte mit Rollstuhl, an der Benützung eines Gehsteiges, eines Gehweges oder eines Geh- und Radweges gehindert sind ..."

Das ist eines der vielen Beispiele, wo ein Gesetz offensichtlich eine klare Unterscheidung trifft, aber in einem von der eigentlichen Vorschrift (§9) weit entfernten Paragraphen (§24) diese Unterscheidung wieder verwirft. Solche Denksportaufgaben kommen oft, zu oft vor, und sorgen zwar dafür, daß der Juristenberuf nicht ausstirbt, ist aber mM verfassungswidrig, weil das gegen das Klarheitsgebot der Verfassung verstößt.

Zur Ausgangsfrage: ja, ein Rollstuhlfahrer ist auch ein Fußgänger. Zumindest im Sinne der StVO.

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