Re(7): Das Finanzsystem ist aus den Fugen
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Das Finanzsystem ist aus den Fugen
29.06.2015, 09:44:49
Spannende Grafik aus dem Bereich des öffentlichen Schuldenmachens:



(Bild: BIZ, Quelle: NZZ.at)

Fazit: Wenn der Zins sinkt, steigt die Verschuldung. Soweit so logisch, oder?

Nur halt nicht für irgendwelche Politiker und Zentralbanker, so scheints. Gerade das Beispiel Griechenland zeigt das ja so schön: In dem Augenblick wo der Zins durch den Euro sank weil das Abwertungsrisiko weggefallen ist, explodierten die Schulden.

Meine Theorie ist ja, dass der einzige Parameter, der die öffentliche Verschuldung begrenzt, das Budget ist. Konkret die Menge an Geld, die man sich für Zinsen leisten kann. Ein stagnierendes Budget lässt auch den Schuldenstand stagnieren. Deshalb hängen die Politiker ja auch so extrem am Wachstum dran - und damit an den Wachstumsprognosen. Sie wollen einfach wissen, wie viele Schulden sie zusätzlich machen können. Eine 0-Neuverschuldung wird gar nicht angestrebt.

Denn wenn man sich die Steuererhöhungen hierzulande ansieht, dann habe ich das Gefühl dass die Steuererhöhungen mit den Schuldenerhöhungen korrelieren. Schafft man es, 100 Mio. mehr Steuern p.a. einzusacken, dann können 10 Mrd. € mehr Schulden "finanziert" werden. Die liegen dann dauerhaft auf dem Budget. Aus der Ecke dürfte ja auch die Idee der Messung des Schuldenstandes in Relation zum BIP kommen.

In diesem Lichte muss man nun die Vermögenssteuerambitionen der SPÖ betrachten. Offiziell will man damit ja die Lohnnebenkosten senken. Was natürlich niemand macht, denn die stören die SPÖ ja gar nicht. Sobald die Steuer da ist, werden wieder mehr Schulden gemacht. Genau so ist es bei den Abgaben auf Energie passiert. Argumentiert wurde immer damit, dass diese "Ökosteuern", die ja einer Maschinensteuer gleich kommen, zu einer Verringerung der Lohnnebenkosten verwendet werden.

Heute sind die Energiesteuern so hoch wie noch nie und die Lohnnebenkosten auch.


Noch eine spannende Grafiik:



(Bild: BIZ, Quelle: NZZ.at)

Man beachte die Grafik rechts unten. In Ländern, die ihre Schulden nach der Krise hochgedreht haben, stiegen auch die Immobilienpreise. In Ländern, wo das nicht passiert ist, stiegen sie nicht. Wenn nun heute jemand (z.B. der AK Präsident Muhm) öffentlich sagt, dass wir eh problemlos wieder zusätzliche Schulden machen können (was wir seit etwa 30 Jahren sowieso konstant tun), was will mir der sagen? Dass ich mir möglichst keinen Wohnraum leisten können soll? Dass Wohnraum möglichst teuer werden soll?


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.  Re: Das Finanzsystem ist aus den Fugen  (mthsff am 29.06.2015, 10:48:00)
.  Re: Das Finanzsystem ist aus den Fugen  (kielex am 29.06.2015, 11:34:36)
.  Re: Das Finanzsystem ist aus den Fugen  (Barney am 29.06.2015, 13:58:08)
.  Re: Das Finanzsystem ist aus den Fugen  (groti67 am 29.06.2015, 16:42:27)
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...  Re(3): Das Finanzsystem ist aus den Fugen  (thE am 30.06.2015, 13:19:53)
.  Re: Das Finanzsystem ist aus den Fugen  (BritishTar am 30.06.2015, 20:35:53)
.......
Re(7): Das Finanzsystem ist aus den Fugen
02.07.2015, 20:18:59
Das Mandat der Fed zB ist (offiziell) folgendes: Preisstabilität, und möglichst niedrige Arbeitslosigkeit. Deflation wird mit höherer Arbeitslosigkeit assoziiert, und insbesondere von Ben Bernanke gab's genug Aussagen, dass Deflation eine Bedrohung ist, und verhindert werden muss.

Je nach Wirtschaftsschule gibt's verschiedene Definitionen von Deflation und Inflation. In der österreichischen Schule ist Inflation zB die Erhöhung der Geldmenge, da angenommen wird, dass höhere Preise immer folgen werden. In der modernen Lehre, der Bernanke und der Rest der Zentralbanker folgt, ist Inflation Preisinflation. D.h. in der Praxis ein Anstieg des CPI. Deflation im Kontrast ist für Bernanke & co das fallen von Preisen, d.h. ein negativer CPI. (Wie aussagekräftig der CPI bzw wie genau die Methoden zur Bestimmung dessen sind, lassen wir mal aussen vor)

Die Fed hat daher in Verbindung mit ihrem Dual-Mandat ein Ziel von 2% CPI-Inflation gewählt. Kurze Erklärung siehe hier auf der Fed Homepage: http://www.federalreserve.gov/faqs/economy_14400.htm

Da es genug preissenkende/deflationäre Faktoren gibt, wie zB Automatisierung, und billige Arbeitskrafte (= billige Konsumgüter) aus Fernost, versucht die Fed entgegenzuwirken. Das einzige Mittel, das die Fed dazu hat, ist das erhöhen von Liquidität.
Das tut man wie gesagt u.a. dadurch, dass man Zinsraten niedrig hält (was die Kreditaufnahme erhöht), dem Staat durch Anleihenankäufe Geld borgt (welches er, wie man Regierungen so kennt, sofort in den Umlauf bringen wird), und den Banken schlechte Kredite abnimmt (was in der Praxis dazu führt, dass neue schlechte Kredite vergeben werden; weil man sieht, wenn man genug misswirtschaftet, die Zentralbank einschreitet und einem die von Ausfall bedrohten Papiere abnimmt).
All diese Massnahmen erhöhen die Liquidität, und diese Liquidität geht überall hin. Sie wird es nicht schaffen, Preise von asiatischen Konsumgütern hochzutreiben, da diese, je mehr sie gekauft werden, durch Massenproduktion vll sogar billiger werden. Aber sie wird es schaffen, heimische Märkte hochzutreiben. Auch den Immobilienmarkt. Insbesondere wenn wie gesagt von der Fed Immobilienpapiere gekauft werden, was spezifisch am Immobilienmarkt eine Erhöhung der Liquidität/Kreditvergabe zur Folge hat.
Durch die erhöhte Kreditvergabe steigt die Nachfrage nach Immobilien. Erhöht sich die Nachfrage stärker als das Angebot, steigen Preise (auch Mietpreise).

Und siehe da, in Verbindung mit steigenden Preisen für zB Energie & Dienstleistungen, Lebensmitteln, und andereren Komponenten, die in den CPI einfliessen, hat die Fed die deflationären Faktoren ausgeglichen, und der CPI ist im Plus.

Jedes Volksschulkind versteht, dass Immobilienpreise zu hoch sind, wenn sich keiner mehr irgendwas vom eigenen Einkommen leisten kann. Darum nehm ich an, dass die Fed das auch versteht. Das erhöhen von Liquidität, das aufblasen von Preisen und Vermögenswerten/Investments, in der Hoffnung, dass irgendwas davon Richtung Arbeitgeber und Konsumenten geht, ist das einzige Tool, das die Fed hat, um ihr Mandat von möglichst niedriger Arbeitslosigkeit zu erreichen. Dessen ist sie sich durchaus bewusst, und somit kannst du von Absicht/Vorsatz ausgehen.

Auch der Aktienmarkt ist in Relation zu GDP, Erträgen etc - allen Massstäben, die man zur Beurteilung der Valuation ansetzen kann - historisch übervaluiert. Weiss jeder Hobby-Investor, und somit die Fed nehm ich an auch. Auch diese Übervaluation ist wiederum eine direkte Folge der Liquiditätsmassnahmen der Fed. Aber das scheint sie nicht zu stören.

Wie gesagt: Liquidität ist das einzige Tool, das eine Zentralbank hat. Die Folgen wie Investmentblasen, Verbreiterung der Kluft von arm zu reich, höhere Lebensführungskosten für das Individuum, etc werden immer wieder in Kauf genommen (siehe zB die Fed-Politik vor der Subprime Krise). Da kein Mensch in einer derartig gehobenen Position so dumm sein kann, diese Zusammenhänge nicht zu verstehen, kannst du von Vorsatz ausgehn. Zu welchem Zweck man absichtlich Massnahmen implementiert, die garantiert mehr schaden werden, als sie kurzfristig bringen, darfst du selber rätseln.

02.07.2015, 22:54 Uhr - Editiert von BritishTar, alte Version: hier
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........  Re(8): Das Finanzsystem ist aus den Fugen  (hhetl am 02.07.2015, 22:35:58)
 

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