Allgemeine Gedanken zum Thema SCHULDEN
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Allgemeine Gedanken zum Thema SCHULDEN
18.11.2015, 19:55:11
Seit einigen Jahren wird die öffentliche Debatte von einem Thema dominiert: Die Verschuldung.

Es scheint modern zu sein, sich über Verschuldung zu mokieren und diese als Grundursache für verschiedene unerfreuliche Sachverhalte der nationalen und internationalen Wirtschaft zu enttarnen.

Von ringsum schallen Forderungen, endlich die Verschuldung abzubauen, damit die Wirtschaft wieder wachsen könne. Die Absurdität dieser Wünsche sehen jedoch die wenigsten, was man ganz gut daran erkennt, dass keiner danach fragt, wer die Gegenbuchung übernehmen solle.

Absurd? Gegenbuchung? Wie komme ich dazu?

Nun, dazu muss man einmal verstehen, dass eine Volkswirtschaft aus fünf Sektoren besteht, die man ohne einen Fehler zu machen als Konten verstehen kann. Und jedes Konto, das wissen wir, kann positiv oder negativ dotiert sein, also entweder einen Überschuss oder eine Verschuldung aufweisen.

Diese Konten sind:

1.) Die privaten Haushalte
2.) Die (nicht finanziellen) Unternehmen
3.) Der Finanzsektor
4.) Der Staat
5.) Das Ausland


Im ersten Teil meiner Ausführungen möchte ich einmal die privaten Haushalte beleuchten. Jeder Leser hier führt einen privaten Haushalt, darum sollte das Folgende auch nachvollziehbar sein:

Per Saldo sind die privaten Haushalte "Sparer". Sie streben danach, einen Teil ihrer Einkünfte in die Zukunft zu tragen. Das kann mehrere Motivationen haben: Sparen auf ein Haus oder eine andere größere Anschaffung, Sparen für die Pension, die Kinder, einen Krankheitsfall, etc. etc.

Jedes Monat fällt hier also ein "überschüssiger" Geldbetrag an. Da Geld in einer funktionierenden Wirtschaft im Umlauf bleiben muss, ist es nicht ratsam, die Banknoten im Keller aufzubewahren. Das geschieht auch nur mit einem ganz geringen Teil dieser regelmäßig anfallenden Summe. Die meisten Menschen tragen das Geld zu ihrer Bank.

Nun ist die Bank gezwungen, für dieses Geld eine Anlagemöglichkeit zu finden. Denn der Sparer erwartet sich ja eine Verzinsung, zumindest um den Wert des Geldes (=die Kaufkraft) zu erhalten, meistens wird aber auch noch eine mehr oder weniger große Vermehrung des Geldes (=der Kaufkraft) erwartet.

Die Bank kann nichts anderes tun, als jemanden zu finden, der sich dieses Geld ausborgt, sich also verschuldet. Es muss einen Kreditnehmer geben, der verspricht, für den Zeitraum, in dem das Geld sich in seinem Besitz (nicht Eigentum) befindet, Zinsen zu bezahlen. Diese Zinsen nimmt die Bank und gibt einen Teil an die privaten Haushalte weiter. Von der Differenz, dem anderen Teil, lebt sie selbst.

Da die privaten Haushalte (per Saldo) Sparer sind, dieses Konto also einen Überschuss aufweist, wie oben erwähnt, muss also ein anderes Konto gefunden werden.

In Frage kommen dazu: der Unternehmenssektor (nichtfinanziell), der Staat oder das Ausland.

Wie auch immer, es muss ein Sektor (oder mehrere) sein, der per Saldo verschuldet ist. Und zwar um ganz genau den Betrag, den die Sparer eingezahlt haben.

Daraus ergibt sich ganz einfach und zwingend logisch: Die Schulden der einen entsprechen den Guthaben der anderen. Denn die Summe muss stets genau NULL sein!

Daraus folgt: Auf der Welt gibt es (per Saldo) keine Schulden. Es gibt (per Saldo) auch keine Guthaben. Denn der Saldo aus beiden ist stest NULL.

Wer beginnt nun zu begreifen, wie dumm die ganze aktuelle Schuldendiskussion in ihrem Wesen ist?

Und warum der Satz gilt:

Wer von Schuldenabbau spricht, der muss auch dazu sagen, wessen Guthaben dazu abgebaut werden sollen.






18.11.2015, 20:53 Uhr - Editiert von Labrador, alte Version: hier
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Re: Allgemeine Gedanken zum Thema SCHULDEN
21.11.2015, 22:46:45
So, also ist bisher vielleicht alles klar. Die privaten Haushalte. Zu Ihnen geht am Ende des Monats (oder des Jahres, jedenfalls nach einer Wirtschaftsperiode = meist ein Jahr) die ganze Kohle.

Die Löhne, die Gehälter, die Gewinne aus den Unternehmen, die Mieten und Pachten, die Zinsen und die Transferleistungen des Staates.

Die privaten Haushalte geben das Geld wieder aus. Sie konsumieren, sie zahlen Steuern und Abgaben. So geht das Geld im Laufe des Monats (oder der Wirtschaftsperiode) wiederum zu den Unternehmen, dem Staat, den Vermietern und Verpächtern. Die brauchen es, weil ja wieder der nächste Erste kommt, wo das Geld dann wieder zu den privaten Haushalten gebucht wird. Klar?

ABER: Da bleibt ja, wie oben besprochen, etwas über. Ein Überschuss. Das, was die privaten Haushalte sparen wollen. Das Konto "private Haushalte" ist also positiv dotiert, im Plus. Traditionell. Das wird man schwer ändern können. Und das wird auch niemand ernsthaft ändern wollen.

Wir merken also vorläufig vor: Konto eins zeigt in einer funktionierenden Wirtschaft stets eine schwarze Zahl.

Was ist nun mit dem monatlichen Betrag? Er muss ja auch wieder zurück zu den Unternehmen, dem Staat, den Vermietern und Verpächtern. Wie hoch ist die Sparquote? Etwa 10 Prozent?
Die dürfen ja nicht fehlen. Sonst dauert es nicht lange und die Wirtschaft ist tot.

Klar? Logisch? Einwände?

Bevor es mit Konto 2 weitergeht verrate ich soviel: Es geht zum (an sich) neutralen Konto 3, dem Finanzsektor. Das sind alle Banken, Versicherungen und Vorsorgekassen.

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Re(13): Allgemeine Gedanken zum Thema SCHULDEN
24.11.2015, 13:50:51
Ob die Bank Geldscheine oder eine Gutschrift bekommt macht konzeptionell keinen Unterschied, oder wie stellst du dir vor das Geld in den Verkehr kommt?/em>


Es geht weder um den Geldschein, noch um die Gutschrift. Konzeptionell ist wichtig, wie die EZB den Geldschein oder die Gutschrift in Verkehr bringt. Und dazu hat sie zwei Möglichkeiten: Entweder, sie vergibt einen Kredit an eine Bank. Dann entsteht eine Verbindlichkeit. Oder sie gibt das Geld aus, in dem sie z.B. Gold oder sowas ankauft. Dann entsteht keine Verbindlichkeit. Sie könnte auch Geld herstellen und dieses an ihren Eigentümer, den Staat, als Gewinn ausschütten. Dann entsteht auch keine Verbindlichkeit.


Das geschieht aber in der Realität in vernachlässigbaren Ausmaß.


Das ist richtig. Geld wird heute idR durch Kredit geschaffen. Das ist der Weg der gegangen wird, seit wir uns vom Gold gelöst und den Regierungen das Privileg des Gelddruckens entzogen haben damit uns kurzfristig orientierte Politiker die Währung nicht mehr kaputtmachen können. Er wird zusätzlich gegangen, weil er ein extrem flexibler und praktischer Weg ist. Das ist die eine Seite.

Die andere Seite ist, dass die Regierungen aber immer noch hohen Geldbedarf haben. Geld, das man früher einfach gedruckt hat, borgt man sich heute einfach aus. Dieser Weg wird uns aber sehr teuer kommen. Kummuliert werden wir -auf lange Sicht- vermutlich ein Mehrfaches an Zinsen zurückzahlen, als wir uns an Geld ausgeborgt haben (das interessiert scheinbar keinen).

Aber all das bedeutet nicht, dass "allen Schulden Guthaben gegenüberstehen müssen". Das ist ein Fehlschluss zu dem man nur deshalb kommt, weil man viel Realität negiert. Im Zuge der Finanzkrise kaufte die griechische Regierung einen Teil ihrer Staatsschulden nicht zur Nominale, sondern zu einem geringeren Wert zurück. Was passierte mit der Differenz? Die musste irgendwer abschreiben. Da ist nichts mit "1:1". Da hat jetzt jemand Geld, dem keine Schuld mehr gegenübersteht.


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Re(5): Allgemeine Gedanken zum Thema SCHULDEN
24.11.2015, 11:07:16

Nein, im OP geht es nicht um Unternehmensfinanzierung.


Falsch. Zitat aus dem originalen Posting:



Nun ist die Bank gezwungen, für dieses Geld eine Anlagemöglichkeit zu finden. Denn der Sparer erwartet sich ja eine Verzinsung, zumindest um den Wert des Geldes (=die Kaufkraft) zu erhalten, meistens wird aber auch noch eine mehr oder weniger große Vermehrung des Geldes (=der Kaufkraft) erwartet.

Die Bank kann nichts anderes tun, als jemanden zu finden, der sich dieses Geld ausborgt, sich also verschuldet. Es muss einen Kreditnehmer geben, der verspricht, für den Zeitraum, in dem das Geld sich in seinem Besitz (nicht Eigentum) befindet, Zinsen zu bezahlen. Diese Zinsen nimmt die Bank und gibt einen Teil an die privaten Haushalte weiter. Von der Differenz, dem anderen Teil, lebt sie selbst.


Das ist eine zentrale Aussage. Die Kreditnehmer, die hier gemeint sind, sind Unternehmen, die über Kredite ihre Investitionen finanzieren, die in Folge Erträge abwerfen die sie mit dem Geldgeber teilen müssen. Konsumkredite können nicht gemeint sein, denn dabei handelt es sich ja nicht um Investitionen die Gewinne abwerfen. "Vermehrung" gibt es nur bei Investition, nicht bei Konsum.

Er legt implizit fest, dass sich alle über Banken finanzieren, denn nur so kan er sein "Alle Guthaben sind Schulden" Dogma formulieren. Wenn er Eigenkapitalfinanzierung und Börsen dazunimmt, dann fällt das alles sofort zusammen.


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Re(11): Allgemeine Gedanken zum Thema SCHULDEN
24.11.2015, 12:57:10
Eben nichts. So wie der Wert der Unternehmen durch einen Handel zustande kommt, so kommt auch der Wert des Geldes durch Handel zustande. Am Devisenmarkt. Dort operieren die Notenbanken und steuern den Wert ihrer Währung. Dort kann eine Notenbank z.B. viel eigene Währung verkaufen um den Kurs zu drücken (wie das die SNB gemacht hat).

Dazu kommt, dass Geschäftsbanken selbst Kredite schöpfen. Diesen Krediten steht aber nur zu einem gewissen Anteil Zentralbankgeld ("Geldscheine") gegenüber (bei der EZB beträgt das max. erlaubte Verhältnis 1:99). Die Bank kann Kredite rausgeben, ohne dass vorher Sparer Geld in gesamter Höhe des Kredites einlegen. Zusätzlich kann sich die Bank auch Kredite von der EZB holen und die rausgeben - auch für diese Kredite muss kein Sparer irgendwo was eingelegt haben. Aber die Bank muss der EZB eine Sicherheit bieten. Diese Sicherheit wird bewertet. Die Bewertung ist die Grundlage dafür, wie viel Kredit sie kriegt. Und: Die Bewertung kann sich ändern.

Daher sind solche Aussagen im originalen Posting sicher nicht richtig:


Wie auch immer, es muss ein Sektor (oder mehrere) sein, der per Saldo verschuldet ist. Und zwar um ganz genau den Betrag, den die Sparer eingezahlt haben.


Mein Einwand ist, dass in der Volkswirtschaft extrem viel auf Bewertung basiert, sogar der Wert einer Währung. Produkte, Dienstleistungen, Veranlagungen, etc. werden mit Geld bewertet, ja sogar Kredite werden bewertet. Dieses mathematisch präzise 1:1, wie der User das formuliert, gibt es nicht.

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