Die Krise und die Rechnung danach
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Re: Die Krise und die Rechnung danach
16.11.2020, 22:55:19
IMHO ist es ganz einfach, nahezu trivial:

- Die Märkte werden mit billigem Geld geflutet, damit in der aktuellen, "realen" Krisensituation die Menschen nicht alle arbeitslos werden und Unternehmensstrukturen zerfallen, die nach dem erhofften Wegfall der externen Krisenursache noch / wieder gebraucht werden. (1)

- Infolgedessen Inflationieren Asset-Preise (alle). Zeitversetzt inflationieren dann die Verbraucherpreise (2)

- Wenn die "reale" Wirtschaft wieder in Gang kommt, wird versucht werden, einen Teil dieses Geld den Märkten vorsichtig wieder zu entziehen, ohne dabei die Wirtschaft zu ersticken. Die Assetpreise werden wieder ein Stück weit zurückkommen. (3)

- Möglicherweise werden in dieser Ernüchterungsphase einige Unternehmen pleite gehen, insbesondere die, die schon vor der Krise schwach waren. Banken könnten nervös werden, eine kurzfristige Kreditklemme könnte sich ergeben, Assetpreise kurzfristig einbrechen, weil Liquidität benötigt wird. (4a)

- Alternativ entwickelt sich eher ein langsamerer Abschwung, mit gelegentlichen Pleiten und ebenso langsam steigender Arbeitslosigkeit, aber ohne neuerliche, akute Krise. (4b)

- Als Reaktion auf die Kreditklemme (4a) oder den Abschwung (4b) wird neues Geld gedruckt... im Prinzip (5) GOTO (1), allerdings nicht so heftig. Ich denke dabei an eine abklingende Schwingung.

Die daraus abgeleitete Strategie wäre nun, in der Phase (2) in möglichst liquiden Assets investiert zu sein (zb in  hippen Tech-Aktien), und rechtzeitig(*) radikal in deutsche Staatsanleihen zu schwenken, bevor (3) beginnt.

Im Idealfall kommt es zu (4a), und du kannst zum richtigen Zeitpunkt(*) die jetzt um ein paar Punkte gestiegenen Staatsanleihen gegen billige Assets eintauschen.

Du siehst, glaube ich nicht an einen Totalzusammenbruch, bin kein Prepper. Und falls doch einer kommt: Kauf eine Brauerei. Bier fliesst immer.

(*) Ich habe mal gelernt "Der Kairos hat keinen Zopf": man kann ihm nicht nachlaufen und ihn aufhalten, wenn er vorüber ist. Deshalb ist die Strategie auch nur "nahezu" trivial. Wer den Crash verpasst, muss ihn aussitzen.

Edit: Prepper-Strategie #2: Kauf eine Farm in Neuseeland. Mit Brauerei.

16.11.2020, 23:57 Uhr - Editiert von hhetl, alte Version: hier
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Re(2): Die Krise und die Rechnung danach
17.11.2020, 01:00:05
  Die Märkte werden mit billigem Geld geflutet


Billiges Geld bedeutet hier billige Kredite. Durch "die Märkte" fliesst das aber einfach nur durch. Denn, richtig erkannt

Zeitversetzt inflationieren dann die Verbraucherpreise


Und oops. Wer sein überflüssiges Geld nicht in den Märkten hat, sieht sich real einer Negativrendite gegenüber.

- Wenn die "reale" Wirtschaft wieder in Gang kommt, wird versucht werden,
einen Teil dieses Geld den Märkten vorsichtig wieder zu entziehen, ohne dabei
die Wirtschaft zu ersticken. Die Assetpreise werden wieder ein Stück weit
zurückkommen. (3)


Die Illusion hier ist, dass man "den Märkten" irgendwie Geld "entziehen" könnte. Man kann _Marktteilnehmern_ Geld entziehen, indem man ihre Kredite fällig stellt, ja. Und das wird sich ein Stück weit auf die Assetpreise auswirken, zumindest kurzfristig. Aber "im Markt" steckt kein Geld. Jedesmal, wenn ein Asset seinen Besitzer wechselt, wechselt auch Geld seinen Besitzer. Es verschwindet nicht, schon gar nicht "im Markt".

Man kann den realen Wert der im Umlauf befindlichen Geldmenge nur reduzieren, indem man Inflation zulässt. Und genauso wird es kommen. Welche Assets dem am besten gewachsen sein werden - das mag jeder für sich selbst entscheiden. Aber Bargeld ist es sicher nicht. Und Staatsanleihen werden nur besser fahren, wenn ihre Rendite der Inflation relativ zeitnah folgt. (edit: Was logischerweise _fallende_ Kurse der bereits emittierten Anleihen bedeutet, also äusserste Vorsicht beim übereilten Wechsel zwischen (2) und (3))

17.11.2020, 01:12 Uhr - Editiert von someonelikeme, alte Version: hier
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Re(12): Die Krise und die Rechnung danach
18.11.2020, 23:05:10
  Und es zeigt, dass die M1 Entwicklung 1980-2000 = vor dem Euro vergleichbar
war. Und ist da die Welt untergegangen?


Von 1980 bis 1990 hatten wir (ich rede jetzt von D) im Schnitt auch noch über 5% Wachstum beim BIP. Von 1991 bis 2001 immer noch gut 3%. Von 2001 bis 2019 aber nur noch 2,6%. (wenn du dich fragst, wieso ich 1990 auf 1991 weggelassen habe - da hatte sich das zugrundeliegende Wirtschaftsgebiet geringfügig vergrößert, das würde unfair verzerren)

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/4878/umfrage/bruttoinlandsprodukt-von-deutschland-seit-dem-jahr-1950/  - bisschen rechnen musst Du damit allerdings noch.

Die Inflationsrate lag in diesen beiden Jahrzehnten ebenfalls höher als heute, zeitweise sehr deutlich. Real war das also nicht ganz so viel, wie es nominal aussieht.

Blöd wird es, wenn die Außenhandelsbilanz der Eurozone negativ wird. Dann
bekommen wir ein Problem.


OK, das hält immerhin den Euro oben. Sonst würde er abschmieren.

Aber ich verstehe immer noch nicht, warum du auf der M1 rumreitest.


Weil es in meinen Augen die fassbarere Größe ist und näher an der Realwirtschaft dran. Aber wenns nur das ist, was Dich so stört - für M3 gilt im wesentlichen das gleiche. Wobei es ja eben nicht vorwiegend langfristige Verbindlichkeiten sind, die sie immer weiter aufgebläht haben, sondern die unglaublich stark angewachsene M1, die da nun mal mit drinsteckt. Nun kann man Gelder aus der M1 so umlenken, dass sie nur noch in der M3 aufscheinen (z.B. durch Zinspolitik) aber erstens ist das zur Zeit nicht so einfach möglich und zweitens hättest Du die M3, die Dir soviel wichtiger ist, damit ja noch gar nicht gesenkt.

Und jetzt gibts halt zwei Möglichkeiten: Die Zentralbank findet einen Weg, die Geldmenge wieder zurückzufahren (oder auch nur einzufrieren), ohne die Zinsen massiv zu erhöhen (was man noch für lange Zeit um jeden Preis zu vermeiden suchen wird, weil man allenthalben davon ausgeht, dass es der Wirtschaft den Rest geben würde). Dann bleibt uns die Inflation vielleicht doch noch erspart und auch die bereits inflationierten Assetpreise gehen wieder zurück.

Oder die Inflation ist eigentlich schon längst da, wird auch nicht gestoppt, sondern so lange es noch irgendwie geht weiter mit  niedrigeren "Verbraucherpreisindizes" verschleiert, die Assetpreise sind gar keine so große Blase, sondern nehmen diese nur vorweg, und wer aus Angst vor einer Krise auf "Cash und Staatsanleihen" switcht, könnte damit real eine noch viel negativere Rendite ernten als er von der Krise befürchtet.

Denn das ist ja kein isoliertes Problem der Eurozone. Auch anderswo wachsen die Geldmengen schneller als die Realwirtschaft.

PS: Nur einen Klick weiter von Deinem Link findet sich übrigens auch eine hübsche Tabelle mit den "echten" Inflationsraten nach Friedman (jetzt bitte nicht auch noch eine Diskussion über die Chicagoer Schule, ich teile seine Ansichten mehrheitlich eher nicht, aber diese Definition hat schon was für sich).

Da haben wir in den letzten 20 Jahren schon ganz gut was aufgebaut, das wir vor uns herschieben:
https://www.tagesgeldvergleich.net/statistiken/inflationsraten.html#echte-inflation

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Re(14): Die Krise und die Rechnung danach
19.11.2020, 00:30:22
Die EZB hat Anleihen zu Tonnen gekauft. Was passiert, wenn sie aufhört zu
kaufen? Die Geldmenge schrumpft,


Ja, aber welche? Richtig, M0. Und damit sind die Auswirkungen auf M1-M3 überschaubar. Das ist ja der Witz am Quantitative Easing.

Die EZB muss daher nicht an der Zinsschraube drehen.


Nein, denn sie würde schon allein dadurch an der Zinschraube drehen, dass sie für auslaufende Anleihen keine neuen mehr nachkauft (weshalb das ja auch auf unbestimmte Zeit weiter stattfinden wird - bei allen Reduktionen des Anleihekaufprogramms ging es immer nur um die Netto-Neukäufe). Denn: Sinkende Nachfrage -> sinkende Kurse -> steigende Rendite -> höherer Zinssatz bei Neuemissionen erforderlich, weil die Schuldverschreibungen sonst keiner mehr kauft. Das mit dem Tapering ist nicht so einfach.

Verschwörungstheorien zur versteckten Inflationsrate


Friedman lag sicher nicht immer richtig. Aber dass eine Ausweitung der Geldmenge über das WIrtschaftswachstum hinaus und Inflation sich gegenseitig bedingen, ist mir plausibel. Und war es auch der Deutschen Bundesbank. Denn die hat als erste Geldmengensteuerung zur Kontrolle des Preisanstiegs eingesetzt.

Das Problem ist ja nur, dass eine solche Steuerung zur Zeit entweder gar nicht mehr stattfindet oder zumindest keine große Wirksamkeit mehr entfaltet, denn die Geldmenge wuchs in der jüngeren Vergangenheit meist schneller als die Wirtschaft. Und nach der Friedman"schen "Verschwörungs"theorie führt das nun mal zu Inflation.

Und dass wir seit Jahren deutlich unter der angestrebten Inflation liegen,
solltest du auch nicht übersehen. Daher werden wir es auch überleben, wenn wir
ein paar Jahre etwas über den 2% liegen.


Überleben werden wir es bestimmt. Fragt sich nur, wie komfortabel es sich für den einzelnen ausgeht. Der Witz ist ja eigentlich sowieso, dass man einen Preisanstieg schon als Preisniveaustabilität bezeichnet, wenn er denn nur langsam und geordnet vor sich geht.

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